Es war wieder einmal so weit, es stand ein Besuch bei Kakteen Freund Hermann Helm in Aschach an. Kurz zuvor hatte ich noch seine neuesten Dias mit Aufnahmen von Gräser Hybriden erhalten. Bei Durchsicht, war mir eine Pflanze sofort aufgefallen. Es handelte sich um eine Trichocereus thelegonus Hybride mit weißen, wunderschönen Blüten. Herr Helm hatte mir bereits am Telefon von dieser Hybride und ihren bemerkenswerten Blüten erzählt.
Nachdem ich auch bei Robert Gräser in Nürnberg meinen Besuch telefonisch angekündigt hatte, fuhr ich erwartungsvoll nach Amberg. Wie immer wurde ich mit bayerischer Gastfreundlichkeit von Familie Helm aufgenommen. Schnell war unser Gespräch bei Robert Gräser, seinen Astrophyten und Hybriden, angekommen. Insgeheim konnte ich nicht erwarten in das Helmsche Gewächshaus zu kommen, um die neu erworbenen Kleinode in Augenschein zu nehmen. Als es endlich so weit war, verging die Zeit wie im Fluge bei all der Fachsimpelei und Diskussion über Kakteen und neue Hybriden. Auch die erwähnte Trichocereus thelegonus Hybride, eine etwa 1,20 Meter große Pflanze, wurde eingehend in Augenschein genommen. Wuchs und Habitus verrieten auf den ersten Blick, dass es sich um eine Trichocereus thelegonus Hybride handelte. Ausgeprägt und deutlich waren die typischen 'thelegonus Einkerbungen' zwischen den Areolen der Rippen zu erkennen. Einmal mehr erwähnte Herr Helm die prachtvollen Blüten dieser ungewöhnlichen Gräser Hybride und erwähnte beiläufig das er noch eine weitere Pflanze von dieser Kreuzung bei Robert Gräser im Gewächshaus gesehen habe.

Abb.1 Trichocereus thelegonus x Echinopsis silvestrii, 'Stern von Nürnberg'
Auf meinem Rückweg nach Hause stand nun noch der Besuch bei Robert Gräser in Nürnberg an. Wie gewohnt wurden alle Fragen mit viel Geduld und
kompetent von Herrn Gräser beantwortet. Auf meine Frage, ob er von der besagten Trichocereus Hybride noch Pflanzen habe, die er verkaufen würde,
zeigte er in die Mitte seines Bankbeetes. Da stand sie, die heiß ersehnte, gut gewachsen und knapp einen Meter groß. An verschiedenen tiefer
liegenden Areolen konnte man erkennen, dass die Pflanze bereits geblüht hatte. Robert Gräser erwähnte, es sei seine schönste weiß blühende
Trichocereus Hybride, mit den größten und wohl attraktivsten Blüten, die er bisher gezogen habe. Entstanden sei die Hybride aus einer Kreuzung
von Trichocereus thelegonus x Echinopsis silvestrii. Leider habe er wegen Platzmangel nur wenige Sämlinge aus dieser Kreuzung groß gezogen,
auch habe er sie noch nicht veröffentlicht.
Auf meine Frage warum er, wie bei vielen anderen seiner Trichocereus Hybriden, Trichocereus als
Mutterpflanze verwendet habe und nicht Echinopsis, erhielt ich folgende Antwort. Er schätze Trichocereen wegen ihrer Gesundheit und der kompakteren, im
Allgemeinen auch haltbareren Blüten, was er immer wieder bei seinen Kreuzungen festgestellt habe. Die Verwendung von Echinopsis als Mutterpflanze
vererbe außerdem nicht zwangsläufig die erwartete und gewünschte frühere Blühfähigkeit der Echinopsen. Darüber hinaus würde der Wuchs dieser Kreuzungen
ebenso cereoid wie auch umgekehrt im Fall das Trichocereen als Mutter verwendet würde. Überglücklich über den Erwerb dieses Prachtstücks fuhr ich nach Hause. Ein
sonniger Platz war schnell gefunden und das Warten auf das nächste Frühjahr begann.
Als Erste, ich konnte es kaum glauben, meldete sich der Neuerwerb im zeitigen Frühjahr mit Knospen. Nachdem die
Knospen etwa 1 cm groß
waren, wuchsen sie in raschem Tempo weiter und wurden schnell größer. Großen Hörnern gleich standen die Knospen im
Scheitel der Pflanze. Der Zufall wollte es, das eine längere Schönwetter Periode das Wachstum der Knospen noch beschleunigte. Bei einem
abendlichen Besuch im Gewächshaus sah ich, das sich die Blüten diese Nacht öffnen würden. Die riesigen, ca. 22cm langen, Knospen standen weit
abgespreizt, zur Seite gebogen, vom Pflanzenkörper ab. Die Spitzen waren leicht geöffnet, in einer Knospe schob sich bereits der Griffel hervor.
Von Zeit zu Zeit ging ein erkennbares Erzittern durch die Blüte und die Blütenblätter hatten sich wiederum ein wenig geöffnet. Innerhalb von
zwei Stunden war die Blüte etwa zur Hälfte geöffnet und ließ bereits ihre Schönheit und Größe erahnen. Beinahe zwei Stunden blieb ich im
Gewächshaus, um dieses Ereignis zu beobachten, nur schweren Herzens verlies ich das Gewächshaus und fuhr nach Hause.
Der nächste Morgen sah mich um fünf Uhr im Gewächshaus. Ein intensiver, durchdringender Geruch erfüllte das Gewächshaus. Der typische Geruch
nachtblütiger Trichocereen wurde durch drei Riesenblüten verbreitet, allerdings in einer Intensität, wie ich es bisher noch nicht erlebt hatte.
Fassungslos stand ich im Morgenlicht vor diesem Prachtstück einer Gräserschen Trichocereus Hybride. Die Blüten hatten eine geradezu majestätische
Ausstrahlung, unterstrichen durch den sie umgebenden intensiven Geruch. Neben der Blütengröße fiel besonders die Kompaktheit der Blüte mit mehreren
Blütenblattreihen ins Auge. Auffällig waren die vier Reihen weißer innerer Blütenblätter in ihrer Form und Breite mit der elegant ausgezogenen
Spitze. Die von außen grün bis bräunlichen äußeren Blütenblätter waren weit nach hinten gebogen und unterstrichen den überwältigenden Gesamteindruck
der Blüte.

Abb.2 'Stern von Nürnberg'
Viele Jahre sind seitdem vergangen, Jahre in denen ich jedes Frühjahr bewundernd vor dieser Hybride mit ihren prachtvollen Blüten stehe. Vergleiche mit der Geschwister Pflanze Hermann Helms, zeigten keinen Unterschied im Aufbau, Form oder Farbe der Blüten, bzw. Habitus der Pflanzen, was nicht weiter verwundert da es sich um Hybriden aus einer F1 Kreuzung handelt. Leider konnte ich bisher keine weiteren Geschwister Pflanzen oder Hinweise darauf bei Liebhabern ausfindig machen. Allerdings kann davon ausgegangen werden das vereinzelt in Sammlungen, vornehmlich im süddeutschen Raum, Geschwister Pflanzen dieser Gräser Kreuzung kultiviert werden.
In meinen Bemühungen, die vorhandenen Trichocereus Hybriden Robert Gräsers zu klassifizieren und zu beschreiben und um dieser herrlichen Trichocereus thelegonus Hybride einen ihr gebührenden Platz in dieser Aufstellung zu geben, habe ich lange nach einem passenden Namen für sie gesucht. Ich fand ihn in 'Stern von Nürnberg', (Abb. 1) ein Name, der gleichzeitig auch auf seinen Züchter Robert Gräser verweisen soll. Dies umso mehr als Robert Gräser seine Kreuzungen selbst nie mit einem Namen versehen hat. Ausgenommen einer einzigen Gräser Hybride der 'Kaffee', obwohl er sehr genaue Aufzeichnungen über seine Kreuzungen gemacht hat. Für den interessierten Liebhaber nachfolgend noch einige Details. Der 'Stern von Nürnberg' hat sich im Laufe der Jahre bei mir, wie auch bei Herrn Helm, als außerordentlich gesunde Hybride bewährt. Der straff aufrechte und gesunde Wuchs dieser Trichocereus Kreuzung lässt die Pflanze in wenigen Jahren die zwei Meter Grenze, bei einem Durchmesser der
Triebe von 10-12 cm, erreichen. Dabei ist es unerheblich, ob sie im Kübel oder frei ausgepflanzt kultiviert wird. Da diese Kreuzung von sich aus nicht sprosst, kann Vermehrung nur durch Schneiden der Mutterpflanzen oder Areolen Pfropfung erzielt werden. Auf diese Weise vegetativ erzeugte Vermehrung ist bereits mit ca. 30-40 cm Höhe blühfähig und blüht dann regelmäßig jedes Jahr. Der Blütenansatz erfolgt fast ausschließlich im Scheitel der Pflanze. Nur sehr selten werden vereinzelt Blüten in den nicht abgeblühten Areolen des Vorjahres gebildet, wie dies z. B. bei anderen Trichocereus thelegonus Hybriden häufiger der Fall ist. Große, gut kultivierte Pflanzen, bilden nach meiner Erfahrung etwa zwischen fünf bis acht Blüten pro Jahr aus, ein heller sonniger Stand und gute Ernährung vorausgesetzt. Der Knospenansatz erscheint, unter meinen Bedingungen, bereits Ende Februar bis Anfang März und die Blüten öffnen sich dann je nach Witterung etwa Ende April bis Anfang Mai. Durch die frisch grüne Farbe verbunden mit den für Trichocereus thelegonus und seinen Hybriden typischen Einkerbungen zwischen den Areolen, erhält die Pflanze ein attraktives Aussehen. Die Anzahl der Rippen schwankt je nach Kulturzustand und Durchmesser der Triebe zwischen 15-17 Rippen. Die etwa 0,5cm großen Areolen sind mit 7-9 Randdornen und einem Mitteldorn von etwa 1cm Länge besetzt. Die Blüte ist vom Pericapell bis zum Receptaculum behaart und mit Schuppen besetzt, was der Knospe ein interessantes Aussehen verleiht. Die Frucht wird bei guter Bestäubung etwa 6-7 cm im Durchmesser, platzt in der Mitte auf und kann leicht 2000 Samen enthalt.

Abb.3 'Pisac' x 'Stern von Nürnberg', 'Pink Beauty'.
Zweifellos das Bemerkenswerteste am 'Stern von Nürnberg' sind die in vier Blütenblattreihen angeordneten, bis zu fünf cm breiten inneren Blütenblätter, die der Blüte den Eindruck der enormen Kompaktheit verleihen. Mit dem großen gelbgrünen Schlund ist ein äußerer Ring von Staubfäden verwachsen. Ein weiteres Bündel von Staubblättern tritt direkt aus der Blütenröhre hervor und ist kurz über der Nektarkammer verwachsen. Über allem steht weit hervorragend die etwa 5cm große Narbe der Blüte. Die gesamte Blüte vom Pericapell, Receptaculum bis zum Perianth erreicht etwa eine Länge von 25cm. Bei gut kultivierten und ernährten Pflanzen erreichen die Blüten mit Leichtigkeit eine Größe von 24cm im Durchmesser und dies bei gleichzeitig mehreren offenen Blüten. Ein geradezu gigantischer Kraftakt. Der 'Stern von Nürnberg' hat ein Blütenintervall im Frühjahr, während dem sich die Blüten in zwei bis drei Schüben öffnen, was bei der Größe der Blüte nicht verwunderlich ist.
Die Haltbarkeit der Blüte ist nach meinen Beobachtungen von verschiedenen Faktoren abhängig, zum einen von der Witterung. Andererseits ist der Kulturzustand und insbesondere ob die Pflanze ausgepflanzt oder im Kübel kultiviert wird, ein weiterer Faktor. Grundsätzlich halten die Riesenblüten jedoch nicht länger als 24 Stunden. Pflanzen, die in zu kleinen Pflanzbehältern kultiviert werden und damit keine ausreichende Wurzelmasse entwickeln können, öffnen ihre Blüten mitunter nicht vollständig. Dies ist auf unzureichenden osmotischen Druck, durch zu geringe Wurzelmasse bzw. Wasser und Ernährung zurückzuführen. Ausreichend große Kulturgefäße sind daher für eine erfolgreiche Kultur und Blüte unbedingt Voraussetzung, idealerweise sollte der 'Stern von Nürnberg' frei im Bankbeet ausgepflanzt werden. Nach der Blüte ist die Kultur im Freien oder im Cereen Kasten ohne weiteres möglich, ja sogar empfehlenswert.
Durch die frischgrüne Farbe verbunden mit den für Trichocereus thelegonus und seinen Hybriden typischen Einkerbungen zwischen den Areolen,
erhält die Pflanze ein attraktives Aussehen. Die Anzahl der Rippen schwankt je nach Kulturzustand und Durchmesser der Triebe zwischen 15-17.
Die etwa 0,5cm großen Areolen sind mit 7-9 Randdornen und einem Mitteldorn von etwa 1cm Länge besetzt. Die Blüte ist vom Pericapell bis zum
Receptaculum behaart und mit Schuppen besetzt, was der Knospe ein interessantes Aussehen verleiht. Die Frucht wird bei guter Bestäubung etwa
6-7 cm im Durchmesser, platzt in der Mitte auf und kann leicht 2000 Samen enthalten.Durch eine Anzahl von Kreuzungen mit unterschiedlichen
Partnern stellte ich fest das der 'Stern von Nürnberg' selbstfertil ist.
Das bedeutet das bei Verwendung dieser Hybride als Mutterpflanze,
immer wieder Gleichförmige, weiß Blühende, zur Mutterpflanze nahezu identische Nachkommen erzeugt werden.
Ähnlich wie es bei der bekannten
Harrisia jusbertii
der Fall ist. Zum gleichen Ergebnis kam auch Herr Helm bei seinen Kreuzungen mit dem Stern von Nürnberg. Die
Blüte bei diesen neuen Hybriden ist etwas kleiner aber der Habitus und die Blüte der Sämlinge ist nahezu identisch mit
der Mutter Pflanze. Der 'Stern von Nürnberg' kann daher ausschließlich als Pollenspender verwendet werden. Ich habe eine Reihe von Hybriden gezogen
bei denen der Stern von Nürnberg als Pollenspender eingesetzt wurde zum Beispiel 'Pink Beauty'. In
allen Fällen ist dabei der Einfluss des 'Stern von Nürnberg' deutlich erkennbar. Besonders im Habitus und Wuchs sowie der mehreren Reihen
Blütenblätter ist der Einfluss des Vaters erkennbar (Abb. 2), (Abb. 3).

Abb.4 'Gräser Rosa' x 'Stern von Nürnberg', 'El Gigante'.

Abb.5 'Gräsers Vermächtnis' x 'Stern von Nürnberg'
Möge der 'Stern von Nürnberg' in vielen Sammlungen zum Andenken an den unvergessenen Altmeister der Kakteenzucht und begeisterten Hybriden Liebhaber, Robert Gräser strahlen.
Der Artikel 'Stern von Nürnberg', wurde 1993 in der 'Kaktusblüte' der Wiesbadener Kakteenfreunde veröffentlicht.
