(Abstract J. Bockemühl)x Hyloselenicereus ‘Kesselring’ (ESA Reg. No. 12631) is an old hybrid dating back to the 1940’s or earlier. It was raised by garden master Wilhelm Kesselring of the Darmstadt Botanical Garden from a cross of Selenicereus grandiflorus (pod parent; Fig. 1) with Hylocereus purpusii (pollen parent; Fig. 2). The flowers are ca. 30 cm long and ca. 25 cm, or even more, wide with white inner and yellow to reddish-brown outer petals (Fig. 3). The plant is floriferous but flowers appear on older plants only. x Hyloselenicereus ‘Kesselring’ may be kept outside on a sunny or semi-shaded place between May and September with regular watering and fertilizing, and should be kept at temperatures of ca. 12° C during winter. As this hybrid combines the traits of two species from different genera with impressive flowers and good cultural properties the author emphasizes its use for further hybridising with species such as Disocactus speciosus or one of its numerous derivatives.
Diese schöne und ungewöhnliche Pflanze ist bei einigen Epiphytenfreunden vielleicht noch besser unter dem alten Namen „Kesselring’sche Hybride“ bekannt, unter dem sie in der Vergangenheit eine allerdings eher begrenzte Verbreitung gefunden hat. Sie entstand aus der Kreuzung Selenicereus grandiflorus (Linné) Br.& R. (Abb. 1) mit Hylocereus purpusii (Weingart) Br.& R. (Abb. 2); letzterer diente als Pollenspender und wird von Ralf Bauer und anderen als besondere Form des Hylocereus ocamponis (Salm-Dyck) Br.& R. angesehen, worüber in den letzten beiden EPIG-Heften ausführlicher berichtet wurde (Bauer 2004; Meier 2006). Auch wenn man dieser Ansicht folgt, sollte der Liebhaber diesen speziellen Klon keinesfalls aus den Augen verlieren, denn er hat gegenüber der Stammart die eindeutig spektakuläreren Blüten, die sich auch bei der hier vorgestellten Hybride wiedererkennen lassen (Abb. 2 & 3; weitere Abbildungen siehe Umschlagbild von Kuas Heft 5/1981 sowie Kakteenkartei 1990/7).
Ich erhielt diese Pflanze in den frühen 80er Jahren des letzten Jahrhunderts von Dr. Stauch aus Worms, einem der wenigen Epiphytenfreunde und –kenner hierzulande zu jener Zeit. Wie er mir sagte, hätte er sie schon Jahre zuvor von ihrem Züchter, Gartenmeister Wilhelm Kesselring vom Botanischen Garten Darmstadt erhalten und habe sie folglich „Kesselring‘sche Hybride“ genannt. Wann sie genau entstanden ist, entzieht sich meiner Kenntnis, aber in einem früheren Beitrag teilte uns Robert Gräser mit (Gräser 1950), dass sie im Jahre 1948 bei ihm geblüht habe, und er fügte eine kurze Beschreibung der Blüte hinzu. Man kann deshalb wohl davon ausgehen, dass sie spätestens während des Krieges, wahrscheinlich aber auch schon früher gezüchtet wurde. Da das Interesse an epiphytischen Kakteen, speziell an rankenden Cereen jedoch allgemein sehr gering war, hat sie in der darauf folgenden Zeit vermutlich keinen allzu großen Bekanntheitsgrad erlangen können und blieb damit für lange Zeit chancenlos, durch ihre schönen Blüten mehr Aufmerksamkeit innerhalb einer größeren Kakteenliebhabergemeinde hervorzurufen. Vor einigen Jahren überließ ich der Gärtnerei Kakteen-Haage in Erfurt eine Anzahl von Stecklingen, so dass die Pflanze nun nach erfolgter Vermehrung für jedermann zum Kauf zur Verfügung steht. Dies war auch von mir so beabsichtigt, denn auf Grund ihrer geringen Verbreitung drohte sie gänz-
lich aus unseren Sammlungen zu verschwinden und das Schicksal vieler anderer verschollener, „historischer“ Hybriden unverdientermaßen zu teilen.
Abb.1 Selenicereus grandiflorus, die Mutterpflanze der
' Kesselring`schen Hybride'
Mir sind nur wenige Blendlinge bekannt, bei denen sich die Merkmale beider Eltern so deutlich erkennbar und in nahezu gleichen Teilen wiederspiegeln wie hier. Die gut daumendicken, im Alter unten verholzenden und an Stärke noch etwas zulegenden dunkelgrünen, im Licht auch bräunlich überlaufenen Triebe sind vier-, nicht selten auch fünfrippig und bewegen sich bezüglich dieser Merkmale in etwa intermediär zwischen denen der Mutter- und der Vaterpflanze. Die Sprosskanten sind abgerundet und verlaufen leicht wellig gekerbt, was auf der Abbildung 3 ebenso zu erkennen ist wie der relativ große Abstand der kleinen, meist graufilzigen Areolen zueinander, die einige wenige kurze Dornen tragen. Die „zapfenartigen“ Blütenknospen (Abb. 3) gleichen im Anfangsstadium mit ihren dachziegelartig übereinander gelegten, rotbraunen Schuppen nahezu gänzlich denen von Hylocereus purpusii, werden jedoch mit wachsendem Alter auf Grund des Selenicereus-Erbgutes langgestreckter als bei obiger Art und tragen in
den Schuppenachseln zudem kurze Dornen und Haare. Die ca. 30 cm langen und über 25 cm breit werdenden Blüten erscheinen ab dem Frühsommer, aber leider erst bei etwas älteren Pflanzen. Damit hat sich die Fähigkeit des „Vaters“, schon als sehr junge Pflanze ihre Blühfähigkeit zu erreichen, nicht weiter vererbt. Der Flor erscheint dafür aber bei erwachsenen Exemplaren reichlich und erinnert mit seinen kräftig gelben, meist rötlich oder rötlich-braun gerandeten äußeren Blütenblättern eher an Hylocereus purpusii, während das langgestrecktere, schlankere Receptaculum wie auch die Form der inneren Blütenkrone wiederum deutlich mehr den Einfluss unserer „Königin der Nacht“ erkennen lassen. Die zahlreichen Staubgefäße sowie der diese überragende Griffel mit seinen Narbenästen sind wie bei den Eltern mehr oder weniger gelb und kontrastieren schön zum strahlenden Weiß des inneren Blütenkelches.
Abb.2 Der 'purpusii' Klon von Hylocereus ocamponis (syn. H. purpusii), Pollenspender der 'Kesselringschen Hybride'.
Nachdem die ESA ihre Zuständigkeit als Registrierungsstelle von Epikakteen auch auf alle anderen Hybriden innerhalb der Hylocereeae erweitert hatte, wollte ich die „Kesselring’sche Hybride“ im Jahre 2001 offiziell anmelden, wobei mir gerade noch rechtzeitig die neueste Auflage des International Code of Nomenclature for Cultivated Plants (ICNCP) in die Hände fiel, in der es seit 1995 einige Veränderungen gegeben hatte. So ist es neuerdings z.B. nicht mehr zulässig, Worte wie „Hybride“, „Kreuzung“, „Sämling“, „Grex“ u.a. als Bestandteil eines Kultivarnamens zu führen, womit die alte Stauch’sche Namensgebung nicht mehr in Frage kommen konnte. Ich erinnerte mich aber, dass unser australischer Freund Frank Sibl irgendwann einmal die Bezeichnung "x Hyloselenicereus" für intergenerische Hybriden zwischen Hylocereus Br. & R. und Selenicereus (Berger) Br. & R. in einem Brief an mich verwendet hatte, die ich für sehr geeignet halte. Deshalb entschloss ich mich, unsere Pflanze in x Hyloselenicereus ‘Kesselring’ umzubenennen und unter diesem Namen bei der ESA offiziell registrieren zu lassen, was auch geschehen ist (ESA Reg. No.
12631; ESA 2001). Die Kultur der ‘Kesselring’ ist denkbar einfach. Wegen ihrer Größe ist sie ausgepflanzt im Gewächshausgrundbeet natürlich am einfachsten und bequemsten durchzuführen, aber wer über die nötige Fantasie verfügt und Mehrarbeit nicht scheut, kann sie auch als „mobile“ Kübelpflanze sommers auf der sonnigen, geschützten Terrasse halten, wo sie nach entsprechender Eingewöhnung sogar volles Sonnenlicht verträgt, was im Glashaus nur bei sehr guter Lüftung zu empfehlen ist. Im Winterquartier reichen ihr 12° C als Minimumtemperatur bei sehr geringer Feuchtigkeit, wobei kurzzeitige Unterschreitungen obiger Wärmegrade nicht gleich zu Schäden führen müssen. Dass stark zehrende Ranker wie dieser in der Wachstumszeit mehr Dünger benötigen und in der sommerlichen Hitze öfter gegossen werden müssen als ihre „stacheligen“ Vettern, versteht sich von selbst, wobei lediglich darauf zu achten ist, dass – wie bei allen Epiphyten - möglichst kalkarmes, „weiches“ Wasser, wie z.B. Regenwasser, Verwendung findet.
Abb.3 x Hyloselenicereus 'Kesselring', die 'Kesselringsche Hybride'
Für den engagierten Epiphytenfreund mit entsprechenden Räumlichkeiten sollte x Hyloselenicereus ‘Kesselring’ ein absolutes „Muss“ sein, wobei sich unsere jüngeren Kollegen überlegen sollten, ob sie nicht zur Weiterentwicklung dieser Hybride beitragen könnten. In ihr sind ja bereits die wesentlichsten „Highlights“ von Arten zweier verschiedener Gattungen vereint; was noch fehlt, wäre ein bisschen Mehr an Farbe, längere Haltbarkeit der Blüten und ein kompakterer Wuchs. Dies könnte möglicherweise durch Einkreuzung von Disocactus speciosus (Cavanilles) Barthlott oder einem seiner zahlreichen Epikaktus-Abkömmlinge erreicht werden, wobei auch darüber hinaus gehenden Ideen keinesfalls Grenzen gesetzt wären. Der verantwortungsbewusste Züchter sollte sich aber klar darüber sein, dass alle Ziele zugleich kaum erreichbar sind, und dass das Wort „Selektion“ in diesem Zusammenhang kein leerer Begriff ist, sondern
oberstes Handlungsprinzip seines züchterischen Schaffens sein sollte. Aus dem Schwarm der Nachkommenschaften sind kompromisslos diejenigen auszumerzen, die nicht dem angestrebten Zuchtziel entsprechen, die schwerwiegendere Mängel aufweisen oder bei denen es sich lediglich um allzu ähnliche „Doubletten“ bereits existierender Kultivare handelt, und seien sie noch so schön. Was nach mühevollen Jahren und kritischer Auslese dann noch übrig bleibt von einer einst viel versprechenden Aussaat, ist erfahrungsgemäß wenig genug, manchmal auch nichts, aber mit solch durchaus realistischen Gegebenheiten muss man leben können und nicht den Mut verlieren. Letztendlich zählt nur die Qualität, nicht die Masse, aber gerade hierin liegt auch eine Chance gleichwohl für dauerhaften Erfolg wie langwährende Anerkennung.
Literatur | ||
---|---|---|
Bauer, R. (2004) : | Hylocereus ocamponis. - EPIG 16(2): 60-65 (erschienen 2005) | |
Gräser, R. (1950) : | Aus meinem Tagebuch. - Kakt. and. Sukk. 2: 7 | |
Epiphyllum Society of America (2001) : | Directory of Species and Hybrids. - Addendum 24:4 | |
Meier, E. (2001): | Die „Kesselring´sche Hybride“ (= x Hyloselenicereus ‘Kesselring’). - Kaktusblüte: 1 & 38 | |
Meier, E. (2006): | Noch einmal Hylocereus ocamponis (Salm-Dyck) Br. & R. - EPIG 56: | |
Trehane, P. et al. (1995) : | International Code of Nomenclature for Cultivated Plants: 23 |
Der Artikel 'Über x Hyloselenicereus ´Kesselring´', wurde in der EPIG Ausgabe 57/2006 veröffentlicht.
Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Redaktion der EPIG.